Fundorte -> Mautern / FAVIANIS -> Fundkomplex Spätantike Befestigung Mautern -> Ausgrabung Essigfabrik (Doppelgraben, mehrphasige Mannschaftsbaracken mit Ställen, via sagularis, Turm, spätantike Holzständerbauten, U-Turm)
Auf den Parzellen .6, 7/3 und .140 wurde 2007 eine Rettungsgrabung auf der Liegenschaft Melkerstraße 6, "Essigfabrik", vom BDA (D. Ruß, M. Singer, U. Zimmermann) durchgeführt. Auf Parzellen .6 und .140 wurde der W-O verlaufende Schnitt1, die Flächengrabung S2 (12,5 m x 19,5m) und S3 im Bereich eines Weges geöffnet; auf Parzelle 7/3 wurde Schnitt 4 angelegt. Die Datierung wurde mit dem von Groh/Sedlmayer 2002erarbeiteten Schema verglichen.
Kastellperiode 1 (2. Hälfte 1. Jh.): In S1 zeigten sich zwei N-S verlaufende Gräben, der westliche 7,8m breit, 2m tief, im Abstand von 3,7m der westliche, von dem 3,5m erfasst wurden. Im Füllmaterial befanden sich Funde, die bis zum Anfang des 2. Jh. datieren.
Kastellperiode 2 (bis 130/140 n. Chr.): Auf den verfüllten und verschliffenen Gräben kamen Standspuren von Piloten und Baustrukturen einer Mannschaftsbaracke mit einem östlich vorgelagerten Stall (Fundamentgräbchen, Urinsammelgruben) zutage. Der Kastellgraben wurde um 8-9m weiter nach Westen verlegt und als zwei knapp nebeneinander liegende Gräben in einer Breite von 5m erfasst (wahrscheinlich 7m breit). Der Wall wurde in Holz-Erde-Technik errichtet.
Periode 3 (bis 170 n. Chr.): Auf den Fundamenten der frühen Baracke wird nun ein Steingebäude errichtet, das um eine Raumbreite nach Westen verschoben wird. Westlich davon konnten Spuren der Via sagularis erfasst werden. Die gemauerte Kastellmauer, Breite ca. 1,3 m wurde in den Profilen erkannt. In Schnitt 2 wurde ein rechteckiger Zwischenturm im westlichen Areal von Schnitt 3 freigelegt, der in einer Höhe von bis 1,2 - 1,5m erhalten war. Die rechteckige Grundfläche betrug 3,4m x 6,3m und die Mauerstärke 0,7m. Die Anbindung an die Kastellmauer konnte nicht ermittelt werden. Ebenso wurde der Graben vor der Kastellmauer nicht bekannt.
Periode 4 (bis Ende des 3. Jahrhunderts.): Mehrere kleinere Umbauten konnten festgestellt werden. Am Ende der Periode 4 konnten Spuren einer Brandkatastrophe (verziegelter Lehmbewurf, Lehmziegelversturz, Brandschichten) ermittelt werden.
Periode 5 (Diokletian bis 370 n. Chr.): Über dem Brandschutthorizont wurden eine Schlauchheizung mit Heizkanälen, ein Lehmestrich und Schwellenbalken eines Gebäudes dokumentiert, das in Ständerbauweise mit Flechtwerkwänden errichten worden war. Eine Brandkatastrophe stand am Ende von Periode 5.
Im westlichen Areal der Ausgrabung (Schnitt3) wurden auf der Höhe des Innenturms zwei parallele Fundamente von 1,75m Stärke festgestellt, die als Mauern eines weiteren, noch unbekannten U-Turm gesehen werden. Die Außenbreite beträgt 6,75 m. Der U-Turm war auf die Verfüllung des Grabens aus Periode 2 gesetzt und zeigte Abschleifungen aufgrund des Aushubs für die mittelalterliche Grabenanlage. Die Ausgräber vermuten eine Errichtung des U-Turms bereits um die Mitte des 4. Jahrhunderts.
Mauern und Estriche eines Gebäudes, das direkt an die Innenseite der Kastellmauer gesetzt war, lagen auf den Befunden der ehemaligen via sagularis.
Periode 6 (nachvalentinianisch) Über dem Zerstörungshorizont der Periode 5 wurde ein gestampfter Lehmboden dokumentiert, der nicht in seiner ganzen Ausbreitung erfasst wurde. Auf dem Intervallum wurde eine N-S verlaufende Mauer von 1m Breite errichtet, die aus Lesesteinen und Kalk-Lehm-Mörtel bestand. Über den Befunden des Innenturmes stellte man einen Lehmestrich eines Gebäudes und ein seichteren Anbau fest.
Die Interpretationen der Befunde durch die Ausgräber wurden in den bisherigen Forschungsstand integriert, und man ist zu folgenden Ergebnissen gekommen:
Für Periode 1 wurde das Doppelgrabensystem nun auch an der westlichen Kastellseite erkannt. Befunde der Ausgrabungen 1954 im Pfarrhof (H. Stiglitz), die bereits bei Gassner-Jilek 2000, 120 als früher Graben erkannt wurden, und die Neuinterpretation einer Abfallgrube der Ausgrabung 1973 (Gassner-Jilek 2000, 36, Abb. 25-27) als Teil eines Spitzgrabens (Zimmermann et al. 2007, 594) ergeben eine Annahme des westlichen Grabensystems über den mittelkaiserzeitliche nördliche Begrenzung hinaus. Auch der 2006 bei der Römerhalle entdeckte Graben FÖ 45, 2006, 28f. wird der Periode 1 zugerechnet, womit sich eine Ausdehnung des Kastells der Periode 1 über die spätantike nördliche Begrenzung hinaus ergeben würde.
Periode 2: erstmals wurden ein W-förmiger Doppelgraben dieser Periode entdeckt, ebenso Stallungen, die auf eine berittene Einheit verweisen. Die Erweiterung des Kastelareals nach Süden wurde auch für die westliche Kastellbegrenzung festgestellt.
Periode 3: Die Verschiebung der Baustrukturen der Kasernen um eine Raumbreite und der Bau der Kastellmauer direkt an der Innenkante des verfüllten Grabens aus Periode 2 zeigt eine weitere Vergrößerung der Kastellfläche. Der Mauerverlauf wird auch in der Ausgrabung in der Missongasse 1966, wo ein angeschnittener Graben (Gassner-Jilek 2000, 104) zutage kam, vermutet. Entgegen den bisherigen Plänen liegt die westliche Kastellmauer weiter westlich, so im südwestlichen Bereich des Kastells auf der Flucht der rezenten, östlichen Häuserzeile der Missongasse.
Die Aufdeckung eines Innenturms würde sich mit dem unter dem nordwestlichen Fächerturm liegenden, fraglichen Befund eines Turmes ergänzen, der 1972/73 in der Ausgrabung im Pfarrhof unter dem Hals des Fächerturmes zutage kam. Die im rechten Winkel umbiegende Mauer wurde erst später als mögliches Kastelleck erkannt (Gassner-Jilek 2000, 34 und Abb. 21, Zeichnung E. Schedivy 1973. W. Pietsch 2000,370.). Hier hoffen die Ausgräber auf die Aufarbeitung des Fundmaterials für eine genaue Datierung.
Periode 4: Neben den Umbauten der Kasernen, bemerken die Ausgräber Unsicherheiten in der Datierung der steinernen Kastellmauer, die ebenso in Periode 4 hätte stattfinden können.
Periode 5: Im Vergleich zu den Interpretationen von St. Groh in den Ausgrabungen 1996 sehen die Ausgräber in der Essigfabrik keinen Hiatus in der Siedlungsgeschichte in der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts. Der Bau des U-Turms könnte schon in der späten 4. Periode (gegen Ende des 3. Jh.) stattgefunden haben; weiters wird keine Erweiterung, sondern eine Verlagerung des spätantiken Kastells nach Norden vorgeschlagen.
2007
FÖ 46, 2007, 23f. Zimmermann et al. 2007.
Text und Bearbeitung: Eva Kuttner